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Neuköllner Silvester-Chaoten: Freispruch in zweiter Instanz 

Ein aus Neukölln stammender 26-jähriger Mann wurde am vergangenen Montag vom Landgericht Berlin vom Vorwurf des versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, dem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und von dem Vorwurf des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte freigesprochen. In erster Instanz hatte das Amtsgericht Tiergarten den Angeklagten noch wegen des Versuchs des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu einer Geldstrafe zu 100 Tagessätzen zu je 20,00 Euro verurteilt.

Der Familienvater soll gemeinsam mit seinem Bruder im Dezember 2022 von seinem Balkon in der Sonnenallee Böller auf die Fahrbahn geworfen haben. Dabei soll er gezielt ein Polizeifahrzeug getroffen haben. Kurz hinter dem Fahrzeug explodierte der Böller wohl. Ein Anwohner hatte die Szene beobachtet und den Polizisten mitgeteilt, von wo der Böller geworfen wurde.

Bei einer anschließenden Wohnungsdurchsuchung fanden die Beamten keine Böller. Allerdings fanden sich in einem naheliegenden Innenhof Böller, die teilweise noch nicht angezündet waren und noch in ihren Originalverpackungen waren. „Wegen des leichten Regens schlossen wir darauf, dass sie noch nicht lange dort gelegen haben können“, sagte einer der als Zeugen vernommenen Polizisten. 

»Pass auf, dass du nicht wieder mit Böllern beworfen wirst. Du wirst noch sehen, was du davon hast.«

Zum Schluss soll sich eines der Familienmitglieder von der Polizei mit der Empfehlung verabschiedet haben, auf sich aufzupassen. Im Laufe der Hauptverhandlung konnte der Sachverhalt allerdings nicht lückenlos aufgeklärt werden. Stand das Polizeifahrzeug, als der Böller flog? Stand es immer noch, als der Böller detonierte? Wie dicht war die Rauchwolke, die entstanden war? Ein Zeuge sprach von einer hohen Rauchwolke, ein anderer von einer kleinen.

Und überhaupt: Wie dicht war der Verkehr auf der Sonnenallee? Polizisten hatten davon berichtet, verkehrsbedingt zum stehen gekommen zu sein. „Es herrschte Stop-and-go auf der Sonnenallee“, sagte der Streifenführer. Ein Zeuge will das Polizeifahrzeug allerdings mit Sirene und mit rund 30 km/h wahrgenommen haben. „Bei freier Streife habe wir weder Signalhorn noch Blaulicht an,“ gab der Streifenführer etwas verdutzt an.

Auch in rechtlicher Hinsicht stand nicht fest, ob das Verhalten des Angeklagten strafbar war. Ein tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte nach § 114 Abs. 1 StGB muss unmittelbar körperlich gegen die Beamten wirken. „Daran fehlt es, wenn ein Böller mehrere Meter hinter einem verschlossenen Fahrzeug explodiert.“, sagte Ehssan Khazaeli in seinem Plädoyer. Witterungsbedingt waren die Fenster des Fahrzeuges geschlossen.

Neuköllner-Silvester-Chaoten: Staatsanwaltschaft fordert ein Jahr Haftstrafe ohne Bewährung 

Noch in erster Instanz vor einem Strafrichter des Amtsgerichts Tiergarten hatte die Staatsanwaltschaft beantragt, das Verfahren an ein Schöffengericht zu verweisen. Es läge das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion im Sinne von § 308 Abs. 1 StGB vor, hatte die Staatsanwalt seinerzeit erklärt. Auch dem folgte die kleine Strafkammer am Landgericht Berlin nicht. Schließlich habe sich der Angeklagte auch nicht des versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach § 315b Abs. 1 StGB schuldig gemacht. Dazu wäre erforderlich gewesen, dass er zumindest umrisshaft die Vorstellung eines so genannten Beinaheunfalls gehabt habe. „Das ist bei Stop-and-go doch etwas fernliegend,“ erklärte Ehssan Khazaeli in seinem Plädoyer. Das Gericht erklärte im Rahmen der mündlichen Urteilsbegründung, da seien „einfach zu viele Eventualitäten“. Auch hatte das Gericht geprüft, ob zumindest noch eine Ordnungswidrigkeit vorliegen könnte, wegen des Besitzes der „Polenböller“. Zwar hatte die Staatsanwaltschaft innerhalb von sechs Monaten Anklage erhoben, „dann lag die Anklage aber bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens mehr als sechs Monate beim Amtsgericht“, sagte die Vorsitzende während der mündlichen Urteilsbegründung.

Über das Verfahren berichteten in erster Instanz die Berliner Zeitung und die BZ. Schon damals erklärte Strafverteidiger Ehssan Khazaeli, dass eine Verurteilung unwahrscheinlich sei. Gegen die Entscheidung des Landgerichts hat die Staatsanwaltschaft Berlin Revision zum Kammergericht eingelegt.

Neuköllner Silvester-Chaoten: Freispruch in zweiter Instanz 

Ehssan Khazaeli

Ehssan Khazaeli

Rechtsanwalt
Strafrecht · Medienrecht

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