Vor dem Amtsgericht Tiergarten ist vergangene Woche ein Angeklagter von einem Jugendschöffengericht zur Absolvierung eines Kompetenztrainings verurteilt. Zuvor hatte der Angeklagte gestanden, in seiner Wohnung rund 10g Tetrahydrocannabinol aufbewahrt zu haben. Der Angeklagte kam damit nochmal glimpflich davon.
Aufgefallen war er durch eine Prüfung in einem Briefzentrum im Süden Deutschlands. In einer an ihn adressierten Sendung befand sich ca. 200g Marihuana. Allerdings war die Sendung gar nicht an ihn adressiert, sondern an seine Vormieterin, dessen Name noch am Klingelschild und am Briefkasten der Neuköllner Altbauwohnung klebte. Die Sendung wurde zur Überprüfung aus dem Verkehr gezogen und das Zollfahndungsamt Berlin mit den weiteren Ermittlungen beauftragt.
Über die Hausverwaltung erfuhr das Zollfahndungsamt, dass die Dame schon einige Wochen nicht mehr in der Wohnung wohnen würde – stattdessen würde sie nun von einem jungen Mann genutzt werden. Dem Angeklagten. Weil bei der Menge von 200g der Verdacht nahe lag, dass er über weiteres Material verfügt, erließ ein Ermittlungsrichter am Amtsgericht Tiergarten einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung. An einem frühen Morgen rückte eine Einsatzhundertschaft der Berliner Polizei zu dem Gebäude aus, umstellten es und durchsuchten es. Nachdem die Polizei noch recht aggressiv an der Tür geklopft hatte, konnten außen positionierte Polizisten beobachten, wie Tüten aus einem Fenster der Wohnung geworfen wurden. Das Fenster konnte anschließend der Wohnung des Angeklagten zugeordnet werden.
Bei der anschließenden Durchsuchung wurden eine Presse, eine Feinwaage und ein Foliergerät sichergestellt. Dies brachte dem Angeklagten im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zunächst den Vorwurf des gewerbsmäßigen Handels ein. Angeklagt wurde anschließend der versuchte Erwerb von Betäubungsmitteln und der Besitz einer nicht geringen Menge von Betäubungsmitteln. Nach § 29a Abs. 1 Nr. 1 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft, wer Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt besitzt ohne eine Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 BtMG zu besitzen. Die „nicht geringe Menge“ wird nach dem Wirkstoffgehalt bemessen und liegt für Tetrahydrocannabinol (THC) bei 7,5g. Ein Wirkstoffgutachten des Kriminaltechnischen Instituts des Landeskriminalamts Berlin hatte einen Wirkstoffgehalt von 10,25g für alle sichergestellten Materialien festgestellt.
Hinsichtlich des ersten Tatvorwurfs wurde das Verfahren nach § 154 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt, weil die Strafe, die der Angeklagte neben der Strafe, die der Angeklagte in dem anderen Verfahren zu erwarten hatte, nicht ins Gewicht gefallen wäre.
Maßgeblich entscheidend war, ob der Angeklagte, der zum Tatzeitpunkt 20 Jahre alt war, nach dem Erwachsenenstrafrecht, oder noch dem Jugendstrafrecht zu bestrafen sei. Bei einer Verurteilung nach dem Erwachsenenstrafrecht hätte ihn eine Haftstrafe von mehr als einem Jahr gedroht, weswegen dem Angeklagten zwangsläufig ein Verteidiger gestellt werden musste. Vor Gericht machte sich der Berliner Strafverteidiger Ehssan Khazaeli dafür stark, dass noch Jugendstrafrecht angewandt wird. Dafür sprach, dass der Angeklagte eine starke Bindung zu seiner Mutter hat, keine Ausbildung abgeschlossen hat und bereits in der Jugend in die Obhut des Jugendamtes genommen wurde. Nach § 105 Abs. 1 Jugendgerichtsgesetz (JGG) soll der Jugendrichter Jugendstrafrecht auf einen Heranwachsenden anwenden, wenn die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung, dass er zum Tatzeitpunkt nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand. Dieser Argumentation schloss sich das Gericht an und verurteilte den Angeklagten dazu, innerhalb von acht Monaten an einem Kompetenztraining teilzunehmen.
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