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Abrechnungsbetrug: Prozess gegen prominenten Facharzt nach einem Jahr eingestellt

Das Strafverfahren gegen einen prominenten Facharzt endete vergangenen Woche nach rund einem Jahr und 22 Verhandlungstagen vor dem Landgericht Halle (Saale) durch eine Verfahrenseinstellung gegen Zahlung einer Geldauflage an mehrere gemeinnützige Organisationen aus Sachsen-Anhalt. Die Staatsanwaltschaft Halle (Saale) hatte dem Facharzt zu Beginn des vergangenen Jahres vorgeworfen, mehr als 220.000 Euro zu Unrecht der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt gegenüber abgerechnet und erhalten zu haben. Angeklagt war er wegen des Vorwurfs des gewerbsmäßigen Betruges in 17 Fällen. Ihm drohten bis zu 10 Jahre Haft. Über das Verfahren hatten BILD Sachsen-Anhalt und die Mitteldeutsche Zeitung berichtet.

Vorwurf des Aberchnungsbetruges endet mit Verfahrenseinstellung

Nachdem das Gericht mehrere ehemalige Mitarbeiter vernommen hatte, erklärte ein Wirtschaftsreferent der Staatsanwaltschaft seine Berechnungen und erörterte ein von ihm erstelltes Gutachten. Dies war Grundlage für die 220.000-Euro-Anklage. Die Verteidigung warf ihm vor, von dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab, der Grundlage für die vertragsärztliche Abrechnung ist, nichts zu verstehen. So hatte er in seiner Berechnung so genannte Zusatzpauschalen zur Betreuung des Patienten berücksichtigt und erklärt, dass diese Leistungen innerhalb der Sprechzeiten der Praxis stattfinden müssten. Mehrere Berufsverbände, die von der Verteidigung zu Stellungnahmen aufgefordert waren, stellten jedoch klar, dass die Leistungen der Mitbetreuung zusätzliche Pauschalen sind und neben der Behandlung abgerechnet werden können. Beispielsweise weil der Arzt nicht mit dem Patienten selbst spricht, sondern mit Verwandten andere Ärzten oder Behörden.

Staatsanwaltschaft Halle (Saale) liefert mehr als fünf Berechnungsmodelle

Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft Halle die so genannten Prüfzeiten des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs mit den Sprechzeiten der Arztpraxis abgeglichen. Ein auf diese Weise gestützter Schadensbericht kam zunächst zu dem Ergebnis, dass der Arzt sogar 500.000 Euro zu Unrecht erhalten hätte. „Dass an dieser Berechnung etwas falsch sein musste, lag auf der Hand – nur eben nicht für die Staatsanwaltschaft Halle“, erklärte der Verteidiger Ehssan Khazaeli.

Die Staatsanwaltschaft wurde anschließend durch die Verteidigung darum gebeten, ihre Berechnungen erneut zu prüfen und – soweit möglich – nur die Leistungszeiten des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs zugrunde zu legen. Dabei vertrat die Staatsanwaltschaft jedoch die Auffassung, dass die Gebührenordnungsposition (GOP) 16233 einen 15 minütigen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt voraussetzen würde. Von dieser Auffassung wollte die Staatsanwaltschaft nicht abrücken und erhob Anklage.

Formelle Abrechnungsfehler aber kein Betrug

Nachdem sich das Gericht mit den von der Verteidigung vorgelegten Stellungnahmen der Berufungsverbände und den Ausführungen aus dem Kölner Kommentar zum EBM befasst hatte, beauftragte es die Staatsanwaltschaft Halle damit, die Mitbetreuungspauschalen vollständig aus der Schadensberechnung zu entfernen. Nach dieser neuen Berechnung verbleibt nur noch ein Schaden von rund 40.000 Euro – bei einem insgesamt gezahlten Betrag von 1.1 Millionen Euro.

Gegen Rat der Verteidiger: Arzt entscheidet sich zur Einstellung des Verfahrens

Für Vertragsärzte besteht die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung. Die Staatsanwaltschaft Halle (Saale) hatte insgesamt Zahlungen in Höhe von 40.000 Euro identifiziert, die wohl nicht an den Abrechnungstagen erbracht worden waren. Allerdings konnte weder bestätigt werden, noch ausgeschlossen werden, dass die Leistungen daraufhin im Laufe des Quartals erbracht worden waren. „Streng genommen wäre der Kassenärztlichen Vereinigung dann kein wirtschaftlicher Schaden entstanden“, erklärte Ehssan Khazaeli das Verfahren. Im Vorfeld hatten sich auch schon Experten kritisch geäußert, ob dann von einen Betrug ausgegangen werden könnte. Vielmehr könne nur von formellen Abrechnungsfehlern die Rede sein, die aus einer Kultur der Bequemlichkeit und Vereinfachung entstanden sind, nicht aber aus einem Betrugsvorsatz. Streitfrage war, ob die abgerechneten Leistungen überhaupt einen wirtschaftlichen Wert haben können, wenn sie sie zu Beginn des Quartals abgerechnet wurden, aber erst im Laufe des Quartals erbracht worden waren. „Das war eine Frage für wirkliche Abrechnungs-Feinschmecker“, kommentierte der Berliner Strafverteidiger Ehssan Khazaeli das Verfahren. Höchstrichterliche Entscheidungen gibt es hierzu nicht. Sowohl die Verteidigung als auch die Staatsanwaltschaft hatten mehrfach erklärt, möglicherweise nach einem Urteil Rechtsmittel einlegen zu wollen, so dass das Gericht eine Verfahrenseinstellung vorschlug. Von der Verteidigung wurde dabei nur eine Bedingung gestellt „Es wird kein Cent an die Staatskasse gehen“, erklärte Rechtsanwalt Ehssan Khazaeli in einem unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführten Rechtsgespräch.

Verfahren wegen Abrechnungsbetrug eingestellt

Mit Beschluss vom 30. Januar 2023 – rund ein Jahr nach Verlesung der Anklageschrift – wurde das Strafverfahren nach § 153a Abs. 2 der Strafprozessordnung endgültig eingestellt. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.

Abrechnungsbetrug: Prozess gegen prominenten Facharzt nach einem Jahr eingestellt

Ehssan Khazaeli

Ehssan Khazaeli

Rechtsanwalt
Strafrecht · Medienrecht

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